Herunter- und hochfahren – wie Chur Bus den Corona-Lockdown meisterte

Nichts hat die Welt seit dem Zweiten Weltkrieg mehr ausgebremst als das Coronavirus. Der Lockdown stellte auch die Wendigkeit von Chur Bus auf die Probe. Ein Chauffeur, ein Disponent und eine Pendlerin erzählen, wie sie persönlich durch die Zeit von März bis Mai 2020 kamen.

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Karl Kemper, der Chauffeur: «Wir halten in der Krise zusammen.»

«Plötzlich diese Ruhe: Kaum Autos auf der Strasse, kaum Fahrgäste, kein Billettverkauf im Bus und keine richtige Rushhour mehr.

Ich sehnte mich bald nach der Normalität zurück, die uns Chauffeure viel mehr fordert. Trotz des ausgedünnten Corona-Fahrplans sass ich häufiger am Steuer. Ich bin für Kollegen eingesprungen, die zur Risikogruppe zählen. Das hat sich für mich perfekt ergeben, denn ich bin in Teilzeit-Pensen parallel Bus-Chauffeur und Fahrlehrer. Da an Fahrunterricht im Lockdown nicht zu denken war, sprang ich bei Chur Bus gerne mehr ein.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das wurde mir im Ausnahmezustand wieder einmal bewusst. Auf der Linie 3 musste ich jeweils aufpassen, dass ich den Bus am Bahnhof Chur wendete und nicht wie im Normal-Fahrplan weiterfuhr. Die Fahrgäste wiederum brauchten Zeit, bis sie sich daran gewöhnten, dass wir Chauffeure ihnen jetzt immer die Türen öffnen. Anfangs drückten sie noch wie die Weltmeister auf die Stopp-Knöpfe. Als Corona-Massnahme desinfizieren wir Chauffeure zudem den Bus während jeder Fahrschicht zwischendurch einmal vorne bis hinten – speziell alle Stopp-Knöpfe innen und aussen und die Haltestangen. Vor jedem Fahrerwechsel machen wir auch das Cockpit keimfrei. Natürlich werden die Busse auch jede Nacht in der Garage tiefengereinigt und desinfiziert.

Der Teamspirit unter uns 74 Chauffeuren ist gut, wir halten in der Krise zusammen. Zum Glück hat das Virus im Lockdown keinen einzigen von uns erwischt. Der Betrieb hat früh reagiert und den Fahrerbereich zu unserem Schutz abgesperrt. Für euch, Hansruedi, die für uns im Hintergrund alles in die Wege geleitet haben, ist das sicher auch eine spezielle Zeit gewesen?»

 

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Hansruedi Truog, der Fahrplaner: «Mein Rechner lief auf Hochtouren.»

«Ja, es waren aussergewöhnliche Wochen. Normalerweise feilen wir ein ganzes Jahr am neuen Fahrplan, optimieren Kurse, passen Frequenzen an, testen Dinge und stimmen Anschlüsse neu ab.  Im Lockdown musste es blitzartig gehen. Innerhalb weniger Tage mussten wir einen neuen Fahrplan aus dem Hut zaubern und danach laufend den Vorgaben des Bundes anpassen.

Die PostAuto AG gab als «Systemführer» unter den Busbetrieben den Takt vor. Wann immer neue Fahrplan-Massnahmen beschlossen wurden, liefen mein Laptop und Tablet im Homeoffice in Tschiertschen auf Hochtouren. Zum Glück musste ich den extrem reduzierten Fahrplan «Corona forte», den ich präventiv schon erstellt hatte, letztlich nicht aus der Schublade ziehen. Wir separierten uns im Dispositionsteam sicherheitshalber räumlich. Roger, der die Dienstpläne erstellte, arbeitete auch von zuhause aus, während Karin im Büro die Einteilung der Fahrzeuge und Chauffeure übernahm.

Ich konnte während des Lockdowns intensiv Zeit mit meiner Frau und meiner zehnjährigen Tochter verbringen. Das war eine schöne Erfahrung. Nach zwei Monaten fuhr ich aber wieder gerne täglich zur Arbeit nach Chur und schätze seitdem die Trennung von Beruf und Privat bewusster, ebenso den kollegialen Austausch und die technische Infrastruktur im Büro.

Rückblickend hat unser Krisenmanagement sehr gut funktioniert. Am Tag, als der Corona-Fahrplan live ging, war ich zugegeben etwas nervös. Normal testen wir einen Fahrplan vorgängig auf Herz und Nieren. Diesmal mussten wir ihn direkt fliegen lassen, aber es hat dank unserer jahrelangen Erfahrung tipptopp geklappt. Einzig auf der Linie 4, welche die Spitäler und das Rheinquartier bedient, haben wir nachjustiert, weil in den Stosszeiten mehr Berufspendler als erwartet unterwegs waren. Bereits nach einem Tag haben wir da vom reduzierten Corona-Betrieb wieder auf den üblichen 10-Minutentakt gewechselt.
Nadine, du kommst ja gewöhnlich im ÖV zur Arbeit. Wie hast du es erlebt?»

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Nadine Thöny, die Pendlerin: «Ich war wie üblich mit der SBB-App unterwegs.»

«Jetzt, wo du’s sagst: Mir fiel auf, dass auf der Linie 4 am Feierabend teils schon einige Leute im Bus waren – nicht wirklich viele, aber klar mehr als in den Zügen, da war es manchmal fast gespenstisch leer. Die abgesperrten Fahrerbereiche in den Bussen, waren etwas vom Ersten, das ich hier direkt von der Corona-Krise mitbekommen habe. Von den Fahrplananpassungen hingegen habe ich kaum etwas bemerkt.

Die Verbindung zwischen Schiers und Chur suchte ich mir wie gewohnt auf der SBB-App heraus. Ich pendle auf dieser Strecke bereits seit fünf Jahren. Damals begann ich die KV-Lehre bei den Psychiatrischen Diensten Graubünden. Seit meinem Lehrabschluss arbeite ich in der Marketing- und Finanzabteilung. Während des Lockdowns war ich an vier Tagen pro Woche im Homeoffice. Es war zwar schön, mehr Zeit mit der Mutter zu verbringen und von ihr bekocht zu werden, ich brauche es aber, rausgehen zu können zur Arbeit. Jeweils dienstags konnte ich weiterhin ins Büro – zum Glück.

Ich selbst hatte keine Bedenken, den ÖV zu benutzen, aber mein Arbeitgeber sah es lieber, wenn ich mit dem Auto kam. Deshalb fuhr ich bei Bekannten mit, wenn ich die Möglichkeit hatte. Es sind schon spezielle Zeiten. Viele Leute sind aufgrund der Ungewissheiten angespannt. Ich selbst mache mir keine Sorgen und nehme es, wie es kommt. Ich hoffe, dass ich bald wieder häufiger nach Chur pendeln kann.»